Gene, Hautbarriere & Co.
Neurodermitis: Ursachen
Neurodermitis ist eine multifaktorielle Erkrankung. Das bedeutet, dass verschiedene Einflüsse bei der Krankheitsentstehung mitwirken. Die Veranlagung für eine überempfindliche Haut wird vererbt. Aber auch andere Faktoren spielen eine wichtige Rolle.
Ursachen für Neurodermitis
Die genauen Mechanismen der Krankheitsentstehung sind noch nicht vollständig erforscht. Man geht allerdings davon aus, dass ein komplexes Zusammenspiel von genetischer Veranlagung und Umwelteinflüssen bei der Entwicklung einer Neurodermitis mitwirken.
Da die Zahl der Neurodermitis-Patienten in den letzten Jahrzehnten vor allem in der westlichen Welt stark zugenommen hat, wurde die Hauterkrankung auch mit der sogenannten Hygiene-Hypothese in Verbindung gebracht. Nach dieser Theorie sollen ein Zuviel an Hygiene, wenig Kontakt zu Krankheitserregern im Kindesalter sowie bestimmte Umwelteinflüsse (z. B. Luftverschmutzung) dazu geführt haben, dass allergische Erkrankungen angestiegen sind. Erklärt wird dies mit einem Beschäftigungsmangel des Immunsystems, der zur Folge hat, dass eigentlich harmlose Substanzen wie etwa Pollen oder Tierhaare eine überschießende Reaktion der körpereigenen Abwehr auslösen.
Neurodermitis: Die Rolle der Gene
Als sicher gilt eine ausgeprägte erbliche Komponente bei der Krankheitsentstehung. Man geht davon aus, dass verschiedene Genveränderungen auf mehreren Chromosomen dafür verantwortlich sind. Dabei wird nicht die Krankheit selbst vererbt, sondern eine Veranlagung für bestimmte Störungen des Immunsystems und der Haut.
Veranlagung für Überempfindlichkeitsreaktionen des Immunsystems: Neurodermitis-Patienten haben eine genetische Veranlagung („Disposition“) für Überempfindlichkeitsreaktionen der Haut und der Schleimhäute. Die körpereigene Abwehr reagiert bei Kontakt mit eigentlich harmlosen Substanzen (z. B. Pollen, Tierhaare) übertrieben heftig. Diese Veranlagung wird als Atopie bezeichnet. Zu den häufigsten atopischen Erkrankungen zählen neben Neurodermitis auch Asthma bronchiale, Nahrungsmittelallergien und die allergische Rhinitis (z. B. Heuschnupfen, Hausstaubmilbenallergie). Kinder, deren Eltern oder Geschwister unter einer atopischen Erkrankung leiden, haben ein erhöhtes Erkrankungsrisiko.
Viele Neurodermitis-Patienten leiden auch an anderen atopischen Erkrankungen wie Heuschnupfen, Tierhaarallergie oder allergischem Asthma.
Veranlagung für trockene und empfindliche Haut: Bei Neurodermitis ist die Haut erblich bedingt trockener und empfindlicher und neigt zu Ekzemen (Hautentzündungen). Mediziner sprechen in diesem Zusammenhang von einer erhöhten Ekzembereitschaft. Dahinter steckt eine Störung der Hautbarriere.
Gestörte Barrierefunktion der Haut
Unsere Haut wirkt normalerweise wie ein Schutzschild gegen schädliche Einflüsse von außen: Sie verhindert, dass Allergene, reizende Substanzen oder Krankheitserreger eindringen. Zudem bewahrt sie uns vor Feuchtigkeitsverlusten. Für diese wichtigen Schutzmechanismen ist die sogenannte Hautbarriere verantwortlich. Sie besteht im Wesentlichen aus Hornzellen, die wie die Ziegel einer Mauer aufeinandergeschichtet sind. Zwischen den einzelnen „Ziegeln“ sorgt eine komplexe Verbindung aus Hornfetten und speziellen Eiweißen dafür, dass die einzelnen Zellen zu einem dichten Schutzwall verbunden werden.
Bei Neurodermitis ist der Aufbau der Hornschicht verändert. Das gilt nicht nur für die Körperstellen, an denen die Hautausschläge sichtbar sind, sondern auch für die scheinbar gesunden Hautbereiche: Der Zellverbund der Hornschicht ist weniger gut vernetzt und es fehlen Hornfette und Feuchthaltefaktoren. Die Folge: Die Haut kann ihre Schutz- und Barrierefunktion nicht vollumfänglich erfüllen – sie ist durchlässiger für Allergene und Schadstoffe und verliert vermehrt Feuchtigkeit. Deshalb ist Neurodermitis-Haut sehr trocken und reagiert extrem empfindlich.
Die ausgeprägte Hauttrockenheit bei Neurodermitis bringt gleich mehrere Probleme mit sich: Denn Hauttrockenheit…
…kann Entzündungen auslösen
…führt zu Juckreiz und Brennen
…ist verbunden mit einem Barrieredefekt. Dieser kann die Entwicklung von Allergien begünstigen.
Hautflora bei Neurodermitis verändert
Bei Neurodermitis-Patienten liegt nicht nur eine Störung der Hautbarriere vor. Auch die Hautflora, also die Gesamtheit der Keime, die auf der Haut siedeln, ist bei Betroffenen verändert. Im Vergleich zu gesunder Haut ist die Vielfalt der Mikroorganismen reduziert. Das hat zur Folge, dass möglicherweise nützliche Hautbakterien verdrängt werden und andere sich leichter vermehren und die Oberhand gewinnen können. Das gilt insbesondere für den Keim Staphylococcus aureus. Heute ist bekannt, dass dieser Keim die Entwicklung und den Verlauf der Neurodermitis beeinflusst. Auffällig ist, dass die Haut während akuter Krankheitsschübe oftmals stark mit diesem Keim besiedelt ist. Man geht davon aus, dass entweder die Bakterien selbst oder ihre Ausscheidungsprodukte Entzündungsprozesse in der Haut auslösen oder sie befeuern.
Provokationsfaktoren
Neben den genannten Veränderungen des Immunsystems und der Haut gibt es auch zahlreiche sogenannte Provokationsfaktoren, die einen akuten Neurodermitis-Schub auslösen oder verschlimmern können. Dazu zählen:
- Eine verstärkte Austrocknung der Haut durch heißes Duschen oder ausgiebiges Baden
- Hautreizungen durch Substanzen, wie sie zum Beispiel in Duschgels oder Reinigungsmitteln vorkommen
- Mechanische Hautirritationen, z. B. durch Kratzen mit den Fingernägeln oder durch engsitzende, scheuernde Kleidung sowie reibende Nähte
- Schwitzen bzw. ein Wärmestau, z. B. infolge von luftundurchlässiger Kleidung
- Allergene wie Pollen, Tierhaare oder Inhaltsstoffe aus Lebensmitteln
- Hautinfektionen mit Viren, Bakterien oder Pilzen
- Klimatische Faktoren wie extreme Kälte, trockene Heizungsluft oder Temperaturschwankungen
- Psychische Faktoren wie Stress, Konflikte, Angst oder Langeweile
- Aktives und passives Rauchen
- Hormonelle Faktoren (Schwangerschaft, Menstruation)
Welche Faktoren zu einer Verschlechterung des Hautzustandes führen, ist von Fall zu Fall unterschiedlich. Bei Patienten mit der sogenannten extrinsischen Form der Neurodermitis spielen zum Beispiel Allergene als Auslöser eine wichtige Rolle. Bei Neurodermitis der intrinsischen Form sind hingegen allergische Reaktionen als Trigger für akute Schübe vor allem zu Beginn der Erkrankung nicht relevant.